Chapeau!


Wahnsinn³. Was uns in den Abendstunden am 10.10.23 in der Aula der ARS geboten wurde, war abwechslungsreich, tiefgründig, unterhaltsam. Die Gefühlswelten des Publikums wurden aufgewirbelt und auf eine Achterbahnfahrt geschickt wie Partikel in einer Schneekugel. Ein durchweg gelungener Theaterabend an der ARS. 

Unter der Leitung der Fachlehrerinnen des Darstellenden Spiels, Karen Decang und Aleksandra Mungenast, führten Schülerinnen und Schüler des aktuellen Abiturjahrgangs auch diesjährig zwei von den Beteiligten erarbeitete und inszenierte Theaterstücke auf, die nachwirken und uns über unsere eigene Rolle in der Gesellschaft nachdenken lassen.

Der rote, samtene Vorhang der Theaterbühne der ARS öffnet sich, Toxische Beziehungen saugt uns ohne Umschweife in die Verstrickungen der Handlung ein, wir sind mittendrin in einem Mikrokosmos unserer Gesellschaft, es geht um den Erhalt von Reichtum, der uns hierarchisch ordnet, aber auch um Liebe, Freundschaft und einen falsch verstandenen Ehrbegriff, der fast in die Katastrophe führt.  In einem kurzweiligen Spiel inszenieren die Schauspielerinnen und Schauspieler der Theatergruppe von Frau Decang das Aufeinandertreffen zweier Familien; die Lebensverläufe der Angehörigen berühren sich im ebenso bunten wie grellen Licht der Partynacht. Man fühlt sich an Romeo und Julia oder Goethes Faust erinnert, wenn der Bruder der soeben Umworbenen (Ismael Akdas) die Familienehre befleckt sieht und gewaltsam auf den Rivalen zustürmt. Die Intrige einer sich als Influencerin ausprobierenden Freundin (Luna Sophia Götte) der reichen Tochter (Linda Bender) endet im Zusammenbruch der eigenen Schwester, die nie auf der Party hätte anwesend sein sollen. Ähnlich turbulent geht auch das Publikum mit, wenn es lacht, seufzt oder die Akteure feiert. Mit großem Applaus geht es in die Pause, das Publikum stärkt sich lächelnd an der Getränkebar des Q3-Jahrgangs, unterhält sich angeregt.

Doch bereits mit dem Beginn von Wahnsinn³, der Inszenierung der Theatergruppe um Frau Mungenast, wird es so still in der Aula, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Stattdessen senkt sich allenfalls das Kinn der Zuschauerinnen und Zuschauer gen Aulaparkett: Was hier aufgeführt wird, ist Tabuthema unserer Gesellschaft, thematisiert das Leiden von Betroffenen und kritisiert den Umgang mit seelischen Erkrankungen durch Angehörige und das medizinisch betreuende Personal. Dabei werden eindrücklich Innenwelten der Betroffenen geschildert, unterstützt durch ein weitgehend puristisches Bühnenbild, lediglich auf der Leinwand wird durch die durchgehend dargestellte Bildstörung auf das Thema verwiesen. Eindrucksvoll ist hierbei auch die entpersonalisierte Darstellung von Gedanken der Erkrankten, die durch die Verwendung starrer weißer Masken ebenso angsteinflößend für das Publikum wie für die Betroffenen präsentiert werden.

Die demenzkranke Frau (Svenja Kuckuck), die im Rollstuhl sitzend ihre eigene Krankheit nicht wahrhaben will, die von Depressionen geplagte junge Frau (Bastienne Schwahn) und der von Selbstmordgedanken wahnsinnig gewordene Jugendliche (Nelian Pflug) brillieren wie auch die arrogante, sich selbst überschätzende Psychiaterin (Maite Rauth), in ihrem Spiel. Hier werden deutlich auch die Folgen der Coronapandemie thematisiert, die zu großen psychischen Belastungen für die gesamte Gesellschaft, aber im Besonderen für Kinder und Jugendliche geführt haben.

Wir bedanken uns für einen rundum gelungenen Abend, der von der Technik-AG ermöglicht und von folgenden Schauspielerinnen und Schauspielern bereichert wurde: Shan Ahmad, Ismael Akdas, Cora Altinok, Linda Bender, Luna Götte, Jan Paul Lehmann, Max Peters, Elisabeta Rullani, Valenia Grau, Finn Rust, Merle Unger, Sabrina Berndl, Halil Celik, Julia Frey, Ole Zimmermann (Gruppe Frau Decang) sowie Bastienne Schwahn, Chiara Di Mauro, Ella Jäger, Hendrik Meißen, Julia Weitzel, Annika Böhmer, Katalin Müller, Luca Leistner, Maite Rauth, Max Euler, Nelian Pflug, Samuel Söhnge, Sarah Wachholder, Svenja Kuckuck, Yannik Ritter und Zoe Patt  

Arne Fuest